04.10.2022

Lieferkette: Welthandel ohne Zerstörung von Wäldern

Lieferkette: Welthandel ohne Zerstörung von Wäldern

Mit dem EU-Parlament haben nun alle EU-Institutionen ihre jeweiligen Standpunkte dazu veröffentlicht, wie eine europäische Regelung zur Verhinderung der weltweiten Waldzerstörung aussehen soll. Nun beginnt die entscheidende Phase, an deren Ende eine europäische Verordnung über „Entwaldungsfreie Lieferketten“ stehen soll.

Am 17. November 2021 veröffentlichte die Kommission ihren Vorschlag für eine EU-Verordnung zur Bekämpfung von Entwaldung und Waldschädigung. Die sog. Verordnung „über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die in Verbindung mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt sowie ihre Ausfuhr aus der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 995/2010“. Der Vorschlag ist Bestandteil der übergeordneten Ziele des „European Green Deal“.

Entwaldung wegen Nahrungsmittelerzeugung

Ziel dieser Gesetzesinitiative ist, dass besorgniserregende Ausmaß der Entwaldung und Waldschädigung zu bekämpfen. Sie führen zu einer Verschlimmerung des Klimawandels und zerstören die biologische Vielfalt. Als Hauptursache hat die Kommission die stetige Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen identifiziert. Nach ihrer Prognose wird sich diese Entwicklung, aufgrund des steigenden weltweiten Konsums, insbesondere von tierischen Produkten, noch deutlich verstärken.

Entwaldung ist ein Teufelskreislauf

Gleichzeitig wird der Klimawandel negative Auswirkungen auf die Nahrungsmittelerzeugung haben, weshalb wiederum größere Anbauflächen benötigt werden. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, wird die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln und die Schonung der weltweiten Waldbestände immer wichtiger.

EU in der Verantwortung

Da die Europäische Union zu den maßgeblichen Verbrauchern von Rohstoffen gehört, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, hat sie zum einen die Pflicht, aber auch die Möglichkeit, auf die weltweite Entwaldung Einfluss zu nehmen. Hierzu sind effektive europaweite Vorschriften notwendig. Konkret soll der Verbrauch von Erzeugnissen minimiert werden, die in ihrer Lieferkette zu Entwaldung und Waldschädigung führen und gleichzeitig die Nachfrage und der Handel von „entwaldungsfreien“ Rohstoffen gefördert werden. Hauptinstrument hierfür sind Ein- und Ausfuhrverbote. Um dabei keine ungleichen Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, soll ein EU-weit gemeinsames Verständnis entwaldungsfreier Lieferketten entwickelt werden.

In den Anwendungsbereich der Verbote sollen bestimmte Erzeugnisse aus dem Anbau bzw. der Haltung von Rindern, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Soja und Holz fallen. Details finden sich im Anhang I des Verordnungsvorschlags.

Reaktion des Rats

Der Rat stellte in der Pressemitteilung vom 28. Juni 2022 seine „Allgemeine Ausrichtung“ (pdf) für die anstehenden sog. Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament vor.

Der Rat ist ebenfalls für verbindliche Sorgfaltspflichten für alle Marktteilnehmer und Händler, die bestimmte Produkte in der EU vermarkten, bereitstellen oder aus der EU ausführen wollen.

Auch im Anwendungsbereich stimmt der Rat grundsätzlich mit dem Vorschlag der Kommission überein.

Darüber hinaus möchte der Rat die Sorgfaltspflichtenregelung vereinfachen, präzisieren und gleichzeitig die Umweltziele beibehalten. Dafür möchte er ein Benchmarking-System einrichten, mit dem Herkunftsländer in Risikokategorien eingeteilt werden. Je nach Risikokategorie bestimmt sich dann der Umfang der Sorgfaltspflichten. Auch die Kontrollpflichten der Länder würden sich an der Risikobewertung orientieren.

Abänderungen des EU-Parlaments

Das EU-Parlament hat am 13. September 2022 seinen Änderungsvorschlag für den Kommissionsvorschlag veröffentlicht. Damit hat nun auch das EU-Parlament seine Standpunkte für die Verhandlung über den abschließenden Gesetzestext festgelegt, womit die Gesetzgebung in die entscheidende Phase kommt.

Der Parlamentsvorschlag geht erwartungsgemäß über den Vorschlag der Kommission und die Forderungen des Rates hinaus. So fordert das Parlament, dass

1. der Tatbestand von Entwaldung und Waldschädigung um die Waldumwandlung ergänzt wird. Der Rat wollte einen in seiner Wirkung wohl gleichen Effekt durch die Erweiterung des Begriffs „Waldschädigung“ erreichen.

2. der Anwendungsbereich auch auf Erzeugnisse von Schweinen, Geflügel, Schafen und Ziegen sowie von Mais und Kautschuk ausgeweitet wird. Darüber hinaus sollen weitere Unterpositionen bzgl. Erzeugnissen von Rindern, Ölpalmen und Holz erfasst werden, insbesondere auch bedruckte Papiererzeugnisse (KN 4900).

3. der Stichtag für die Bewertung als „entwaldungsfrei“ aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 um ein Jahr auf den 31. Dezember 2019 vorverlegt wird. Die Rohstoffe und Erzeugnisse, die im Anwendungsbereich liegen und nach dem Stichtag auf Flächen produziert wurden, die von Entwaldung, Waldschädigung oder Waldumwandlung betroffen sind, unterfielen dann den Vermarktungs-, Einfuhr- und Ausfuhrverboten.

Folgen für Unternehmen

Unternehmen müssen ihre Sorgfaltspflichten in der Lieferkette dann auch auf Waldbeschädigungen durch Zulieferer ausweiten. Dies hat insbesondere Auswirkung auf die unternehmensinterne Risikoanalyse für die Erzeugnisse aus dem Anwendungsbereich.

Das Gesetz wird voraussichtlich dazu führen, dass europäische Unternehmen einen Teil ihrer Zulieferer verlieren, weshalb sie frühzeitig eine Umstrukturierung der Lieferkette vornehmen sollten.

JM

Unsere Empfehlungen:

Mit verschiedenen Gesetzesinitiativen sind die Folgen der Lieferketten europäischer Unternehmen in den letzten Jahren in den Fokus der deutschen und europäischen Gesetzgebung gerückt. Dabei ist insbesondere an das mittlerweile wohl jedem bekannte deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die EU-Lieferkettenrichtlinie (EU) 2019/1937 zu denken. Diesem Trend folgend, geraten nun neben den Menschenrechten und einzelnen Umweltstandards auch der Schutz der weltweiten Waldbestände ins Blickfeld der Gesetzgebung. Deshalb muss sich jedes Unternehmen mit internationalen Zulieferern besonders intensiv mit den aus- und einfuhrrechtlichen Anforderungen rund um die eigene Lieferkette auseinandersetzen. Was dabei alles zu beachten ist, erfahren Sie und Ihre Mitarbeiter von den Experten der Hamburger Zollakademie in praxisnahen Seminarangeboten.

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