Compliance: Nationale Lieferkettengesetze im Vergleich
Wie mittlerweile wohl jedem bekannt ist, wurde in Deutschland am 11. Juni 2021 ein nationales Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten verabschiedet. Ebenfalls bekannt sind die Pläne für ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene. Vergleichsweise unbekannt ist jedoch die Tatsache, dass auch andere europäische und nicht-europäische Staaten eigene nationale Gesetze auf diesem Gebiet beschlossen oder geplant haben. Hier gern ein Überblick.
Belgien
Am 2. April 2021 wurde in der belgischen Abgeordnetenkammer ein Gesetzesvorschlag zu unternehmerischen Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten entlang ihrer Lieferkette eingebracht. Das Gesetz zielt auf Schutz von Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz (sog. geschützte Rechtspositionen). Von dem Gesetz sollen nach dem Entwurf belgische und in Belgien tätige Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Bilanzvolumen 43 Millionen Euro oder mehr oder einem Umsatz 50 Millionen oder mehr betroffen sein. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) treffen nur dann Verpflichtungen, wenn sie in Branchen oder Ländern mit besonders hohem Risiko für Rechtsgutsverletzungen tätig sind.
Die Unternehmen sind verpflichtet, für die obigen Rechtspositionen eine sog. Risikokarte und einen jährlichen Vigilance Plan zu erstellen. Sie müssen Verfahren implementieren, um Tochtergesellschaften, Unterauftragnehmer und Zulieferer laufen zu bewerten und zu überwachen. Zudem sollen Maßnahmen getroffen werden, die das Risiko von Verletzung der Rechtspositionen vermindert. Die Anforderungen an KMU sind eingeschränkt.
Frankreich
Das sog. „loi sur le devoir de vigilance“ bestimmt unternehmerischen Sorgfaltspflichten zum Schutz von Menschenrechten, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt. Es wurde bereits am 27. März 2017 verabschiedet und seine Regelungen sind bereits wirksam. Es betrifft französische Unternehmen mit weltweit mehr als 5.000 Mitarbeitern und in Frankreich tätige Unternehmen mit weltweit mehr als 10.000 Mitarbeitern.
Die Unternehmen sollen den Schutz der Rechtsgüter in ihrem eigenen Unternehmen, in Tochtergesellschaften, bei Unterauftragnehmern und bei Zulieferern sicherstellen und Maßnahmen zur Verminderung von Verletzungsrisiken schaffen. Die Unternehmen müssen einen jährlichen Kontrollplan veröffentlichen. Für Rechtsgutsverletzungen, die mit der gebotenen Sorgfalt hätten vermieden werden können, ist das Unternehmen zivilrechtlich haftbar. Zudem kann jede Person gegen die Nichterfüllung gebotener Sorgfaltspflichten in einem Unternehmen Beschwerde einreichen.
Niederlande
Bereits 2019 beschloss die erste Kammer (Senat) das sog. „Wet zorgplicht kinderarbeid“ oder auch Child Labour Due Diligence Law, nachdem die zweite Kammer (Parlament) dem Gesetz bereits 2017 zugestimmt hatte. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, Maßnahmen gegen Kinderarbeit in ihrer Lieferkette zu implementieren.
Am 11. März 2021 folgte der Gesetzesvorschlag für das „Gesetz über verantwortungsbewusstes und nachhaltiges internationales Handeln“ (sog. Wet verantwoord en duurzaam internationaal ondernemen). Es soll die Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und den Umweltschutz im eigenen Unternehmen, in Tochtergesellschaften und in allen Geschäftsbeziehungen in der gesamten globalen Lieferkette schützen. Es gilt für niederländische oder in den Niederlanden tätige Unternehmen, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen. Sie haben mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme, 40 Millionen Euro Umsatz oder 250 Mitarbeiter.
Ebenso wie die anderen Lieferkettengesetze verpflichtet es die Unternehmen zur Einrichtung von Managementsystemen und Geschäftsprozessen zur Verminderung des Verletzungsrisikos für geschützte Rechtspositionen. Insbesondere sind auch Abhilfemechanismen und -Maßnahmen vorzubereiten, um die Auswirkung von Verletzungen zu mildern. Im Gesetzesvorschlag ist zudem eine jährliche Berichtspflicht vorgesehen.
Österreich
In Österreich wurde am 25. März 2021 ein Entschließungsantrag für ein „Lieferkettengesetz für eine soziale, menschenrechtskonforme und nachhaltige Produktionsweise“ eingebracht. Es betrifft Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und den Umweltschutz im eigenen Unternehmen, in Tochtergesellschaften, bei Lieferanten und Subunternehmern.
Die Unternehmen müssen Systeme zur Risikoanalyse (inkl. Frühwarnsystem), zur Verletzungsprävention und zur Verminderung der Auswirkungen bei Verletzung von geschützten Rechtspositionen etablieren. Dabei sollen die Betroffenen einbezogen werden. Zudem ist eine jährliche Berichtspflicht vorgesehen.
International
Auch andere, nicht-europäische Staaten weltweit haben Gesetze zu Sorgfaltspflichten für Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten verabschiedet oder sie planen dies:
So gab es in der Schweiz die erfolgreiche Konzernverantwortungsinitiative (Eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt»), die in ein Gesetz mündete – oder beispielsweise in Großbritannien den „UK Modern Slavery Act“.
In Norwegen wurde am 10. Juni 2021 das Gesetz über die Transparenz von Unternehmen und Arbeit zu grundlegenden Menschenrechten und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, dass sog. Transparenzgesetz verabschiedet und seine Regelungen sind auch bereits wirksam. Es soll die Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte im eigenen Unternehmen, in Tochtergesellschaften sowie bei allen direkten Lieferanten und Unterauftragnehmern in der gesamten globalen Lieferkette schützen. Betroffen sind Unternehmen, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Eine Bilanzsumme von mehr als 35 Millionen NOK (ca. 3,5 Mio. Euro), mehr als 70 Millionen NOK Umsatz (ca. 6,9 Mio. Euro) oder mehr als 50 Mitarbeiter.
Die Unternehmen sollen Systeme zur Risikoanalyse etablieren und Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte sowie zur Abmilderung von Verletzungsfolgen ergreifen. Zudem sollen Abhilfemaßnahmen und Entschädigung bereitgestellt werden. Es gilt eine Berichtpflicht in Form eines Jahresberichts auf der Website des Unternehmens.
Quelle: Übersicht des Corporate due diligence laws and legislative proposals in Europe
JM
Unsere Empfehlungen:
Lieferkettengesetz meint Gesetze, die Unternehmen zur Einhaltung und Sicherung von Menschenrechtsstandards in ihrer Lieferkette verpflichten. Daraus ergeben sich verschiedene Monitoring, Berichts- und Handlungspflichten. Unternehmen werden verpflichtet, ihre Zulieferer zukünftig strenger auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu überprüfen. Unternehmen müssen dafür ihre Compliance-Organisation umgestalten und sollten bereits bei Vertragsverhandlungen mit Zulieferern an Lieferkettengesetze denken. Es ist frühes Handeln geboten, um nicht bei Wirksamwerden der Regelungen unvorbereitet festzustellen, dass ein Teil der eigenen Lieferanten nicht den Anforderungen genügt. Was noch zu tun ist, erfahren Sie von den Experten der Hamburger Zollakademie in praxisnahen Seminarangeboten.