07.09.2021

Präferenzen: Alternative Präferenzregeln im Pan-Euro-Med-Raum

Präferenzen: Alternative Präferenzregeln im Pan-Euro-Med-Raum

Der Zoll hat über die neuen Präferenzregeln berichtet, die seit dem 1. September 2021 im Paneuropa-Mittelmeerraum gelten. Die EU hat sich nach langen Verhandlungen nur mit einem Teil der Staaten auf die Modernisierung der Übereinkommen einigen können. Diese vereinfachten Ursprungsregeln, sogenannte „Übergangsregeln“, können jetzt optional zu den Regeln des Regionalen Übereinkommens angewandt werden.

Trotz zähen, zehnjährigen Verhandlungen konnte die EU mit ihren Paneuropäischen-Mittelmeerpartnern keine einheitliche Linie für die Modernisierung schaffen. Bei denjenigen Staaten, mit denen eine Einigung möglich war, werden das regionale Übereinkommen bilateral um ein alternativ anwendbares Regelwerk (Übergangsregeln) ergänzt. Diese wurden zum Beispiel für Jordanien bereits im Mai im europäischen Amtsblatt veröffentlicht (ABl. L 164/1, 10.5.2021). Es gilt seit dem 1. September 2021.

Ebenfalls seit dem 1. September 2021 gelten die alternativen Regeln im Warenverkehr mit Albanien, den Färöer-Inseln und der Schweiz.  In den nächsten Monaten wird mit dem In-Kraft-Treten der neuen Ursprungsprotokolle mit den meisten Staaten des Paneuropa-Mittelmeerraums (PEM) gerechnet. Die Länder werden als „applying contracting Party“ bezeichnet.

Eine abschließende Klärung zwischen welchen Ländern die neuen Regeln konkret anwendbar sind, gibt es noch nicht. Der deutsche Zoll empfiehlt, vor der Anwendung der neuen alternativen Präferenzregelungen unbedingt die von der EU geplante „Matrix“ zu konsultieren und abzuwarten, bis diese veröffentlicht wurde.

Die Bestimmungen des Regionalen Übereinkommens bleiben weiterhin gültig und anwendbar. Der Exporteur hat das Wahlrecht, ob er das Regionale Übereinkommen oder die Übergangsregeln anwenden möchte. Die Verfahren können nicht vermischt werden, die Ursprungsregeln sind strikt zu trennen (keine sog. Durchlässigkeit).

Auswirkung auf Präferenznachweise

Wer sich dafür entscheidet, die neuen Präferenzregeln anzuwenden, muss dies zunächst durch den Vermerk „TRANSITIONAL RULES“ deutlich machen.

Für Exportsendungen ist zu beachten:

Als Präferenznachweis ist nur noch die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bzw. Ursprungserklärung des Ausführers vorgesehen. Damit entfallen die Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED und die Ursprungserklärung EUR-MED.

Für Einfuhren ist zu beachten:

Es gelten neue Codierungen. U075 für Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 mit dem Vermerk „TRANSITIONAL RULES“ und U076 für Ursprungserklärung mit dem Vermerk.

Es werden noch weitere Änderungen im ATLAS-System folgen. Darüber werden der Zoll - und auch die Hamburger Zollakademie - Sie auf dem Laufenden halten.

Auswirkungen auf Lieferantenerklärung

Wird der Ursprung durch Anwendung der neuen Übergangsregeln erworben, so ist auf den Lieferantenerklärungen dort, wo die anwendbaren Präferenzverkehre angegeben werden, zusätzlich zum Land  „TRANSITIONAL RULES“ anzugeben. Die EU-Kommission empfiehlt zudem anzugeben, ob ein Erzeugnis die Ursprungsregeln der alten Regionalen Übereinkommens, der neuen Übergangsregeln oder beider Systeme erfüllt. Fehlt die Angabe, so gilt die Liefererklärung als Nachweisunterlagen auf Grundlage des alten Regionalen Übereinkommens.

Da die verschiedenen Systeme nicht vermischt werden dürfen, darf keine Lieferantenerklärung, die auf Grundlage der alten Präferenzregelung erstellt wurde, als ursprungsbegründende Unterlage im Rahmen eines Vorgangs nach den neuen Übergangsregeln verwendet werden. Dasselbe gilt auch andersherum.

Weitere wichtige Neuerungen

  • Findet durch Be- oder Verarbeitung ein Ursprungserwerb statt, so kann der Ab-Werk-Preis und der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaften über Durchschnittswerte berechnet werden. Hierdurch können Kosten- und Wechselkursschwankungen berücksichtigt werden. Diese Durchschnittskalkulation müssen jedoch vorher vom Hauptzollamt bewilligt werden. Dazu können Ausführende oder Lieferanten einen schriftlichen Antrag stellen.
  • Für landwirtschaftliche Erzeugnisse gilt eine Toleranz von 15% des Nettogewichts. Für Gewerbliche Waren gilt eine Toleranz von 15% des Ab-Werk-Preises. Davon ausgenommen sind Textilien (Kapitel 50-63 HS-Code), für die die speziellen Toleranzen der Einleitenden Bemerkungen zur Verarbeitungsliste gelten.
  • Kumulierung
    Grundsätzlich ist eine eingeschränkte diagonale Kumulierung möglich (Verwendung von Vormaterialien aus Partnerstaaten). Für Textilien im Sinne der Kapitel 50-63 HS-Code ist auch eine volle bilaterale Kumulierung zulässig. Für alle anderen Erzeugnisse ist auch eine volle diagonale Kumulierung möglich. Volle Kumulierung heißt, es können Bearbeitungen berücksichtigt werden, die an Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft in den Partnerstaaten erfolgten. Dabei ist zu beachten, dass die volle Kumulierung durch „CUMULATOIPN APPLIED WITH… (Name des Landes/Länder in Englisch)“ gekennzeichnet werden müssen.  Ein Verzicht auf den Vermerk ist möglich, wenn dies im bilateralen Protokoll vorgesehen und zwischen den Vertragsparteien vereinbart ist.
  • Draw-Back-Verbot
    Das Verbot der Zollrückvergütung und der Zollbefreiung gilt nur noch für Textilien (Kapitel 50-63 HS-Code)
  • Die „unmittelbare Beförderung“ wird durch das neue System der „Nichtveränderung“ ersetzt. Die Voraussetzung der (unmittelbaren) Direktbeförderung ist nicht erfüllt, wenn kein Zweifel an der Ursprungseigenschaft besteht. Dadurch wurde das Erzeugnis von einer Präferenzbehandlung bei der Einfuhr ausgeschlossen. Dies ist mit dem neuen System nicht mehr der Fall.

Weitergehende Informationen erhalten Sie auch in der Auskunftsdatenbank Warenursprung („WuP online“). Es gibt zudem eine englische Orientierungshilfe der EU-Kommission. Diese finden Sie hier.

Unsere Empfehlungen:

Die Regelungen zum Ursprung einer Ware sind wichtig für die Feststellung, ob diese Waren besonderen Regularien aus z.B. Handelsabkommen oder Sanktionslisten unterliegen.

Die Präferenzberechnung kann dabei mitunter sehr anspruchsvoll sein. Hinzu kommt, dass sie je nach den beteiligten Ländern unterschiedlich durchgeführt wird, denn die Berechnungsregeln sind in den Handelsabkommen festgelegt. Deswegen bietet Ihnen die Hamburger Zollakademie speziell zu diesem Thema mehrere Fortbildungsprogramme an. Dort erfahren Sie von unseren Experten alles Notwendige, um auch schwierige Präferenzregeln sicher durchzuführen.

JM/CRS

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