Exportkontrolle: Sekundärsanktionen – Kein Grund zur Kündigung?
In dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zur EU-Blocking-Verordnung hat Generalanwalt Hogan seine Schlussanträge veröffentlicht. Eine grundlose Kündigung von Vertragsbeziehungen ist demnach nicht möglich, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese nur der Abwehr von Sekundärsanktionen diente. Vielmehr folge aus der EU-Blocking-VO, dass eine grundsätzlich mögliche grundlose Kündigung im Einzelfall begründet werden muss, um nachzuweisen, dass sie nicht der Umgehung von Sekundärsanktionen dient.
Vorabentscheidungsverfahren
Ausgangspunkt des EuGH-Verfahrens ist ein Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Dort hat ein iranisches Unternehmen gegen die Kündigung eines deutschen Unternehmens geklagt. Das iranische Unternehmen ist von US-Sanktionen betroffen. Unternehmen, die mit ihm geschäftliche Verbindungen unterhalten, drohen nach dem US-Recht Sanktionen (sog. Sekundärsanktionen).
Wohl deshalb hat das deutsche Unternehmen ohne Angaben von Gründen den Vertrag mit dem iranischen Unternehmen gekündigt. Das iranische Unternehmen ist für seine interne und externe Kommunikation auf die Dienstleistungen des deutschen Unternehmens angewiesen. Eine Kündigung ohne Angabe von Gründen wäre nach nationalen Recht wohl möglich. Fraglich ist jedoch, ob die Kündigung nicht gegen die EU-Blocking-VO 2271/96 verstößt. Deshalb hat das OLG vier Einzelfragen bzgl. der Auslegung der Blocking-VO im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren (Rs. C-124/20) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.
Was ist die EU-Blocking-Verordnung?
Die Blocking-Verordnung soll europäische Wirtschaftsteilnehmer davor schützen, Ziel von exterritorialen (nicht europäischen) Sanktionen zu werden, wenn ihr Verhalten nicht gegen EU-Recht verstößt. Dieses Ziel will die Verordnung erreichen, indem sie EU-Wirtschaftsteilnehmern verbietet, bestimmte aufgelistete extraterritoriale Rechtsakte - einschließlich darauf beruhender Entscheidungen, Urteile oder Schiedssprüche - einzuhalten. Zudem enthält sie eine Meldepflicht für die Wirtschaftsteilnehmer, die Ziel von Maßnahmen auf Grundlage eines der extraterritorialen Rechtsakte werden. Die Iran-Sanktionen der USA sind in der Liste der extraterritorialen Rechtsakte in der Blocking-VO.
Zu dem EuGH-Verfahren hat der Generalanwalt Hogan nun seine Schlussanträge gestellt.
Was bedeuten Schlussanträge für den Ausgang des Verfahrens?
Die Generalanwälte erstellen für den Europäischen Gerichtshof Gutachten, in denen sie neutral die Rechtslage bewerten. Das Gutachten stellt eine unverbindliche Empfehlung für die Richter dar, welcher diese oft folgen. Dies ist jedoch bei weitem kein Automatismus, wie etwa die Urteile zur PKW-Maut oder zum „Recht auf Vergessenwerden“ zeigen.
Anwendbarkeit ohne direkte Anweisung
Die erste Frage des Hanseatischen Oberlandesgerichts ist, ob die Anwendung der EU-Blocking-VO eine direkte oder indirekte Anweisung von Seite des sanktionierenden Drittlandes, ob gerichtlich oder behördlich, ergangen sein muss. Aus dem Wortlaut, dem Ziel und dem Zusammenhang des Verbotes ergibt sich nach der Einschätzung Hogans, dass die Blocking-VO auch dann Anwendung findet, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer ohne Aufforderung den exterritorialen Rechtsvorschriften Folge leistet.
Grundlos mögliche Kündigung bedarf der Begründung
Zweitens stellt sich die Frage, ob es einer Begründung der Kündigung bedarf, obwohl nach nationalem Recht auch eine grundlose Kündigung möglich wäre. Hierzu führte Hogan aus, dass eine Kündigung ohne Nennung von Gründen die EU-Blocking-VO umgehen würde und den verfolgten Zweck des Gesetzgebers untergraben würde. Deshalb müsse der Kündigende vor dem nationalen Gericht darlegen, welcher andere Grund als die Vermeidung von Sekundärsanktionen zur Kündigung geführt habe.
Durchsetzung durch Verpflichtung zur Aufrechterhaltung
Zuletzt stellt sich die Frage, wie mit der Unrechtmäßigkeit der Kündigung umzugehen sei. Sind verschiedene Sanktionsmöglichkeiten (z.B. Bußgelder) möglich oder muss die Kündigung für unwirksam erklärt werden, womit die Aufrechterhaltung des Vertrages erzwungen wird. Hogan führt hierzu aus, dass der Zustand vor unrechtmäßiger Handlung wiederherzustellen ist. Insofern ist das Unternehmen, im Falle einer fortlaufenden Verpflichtung, durch Androhung eines wiederkehrenden Ordnungsgeldes oder eine gleichermaßen geeignete Sanktion dazu zu zwingen, den Verpflichtungen nachzukommen. Vorliegend heißt das, dass die Kündigung für unwirksam zu erklären ist und bei Nichtbefolgung der vertraglichen Pflichten Ordnungsgelder zu verhängen sind.
Er stellt zudem fest, dass die Blocking-VO nicht gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt, insbesondere da es eine Ausnahmeregelung gibt.
Hogan erkennt dabei an, dass sich der europäische Wirtschaftsteilnehmer in einer Zwickmühle der Sanktionen befindet. Der Wortlaut und Wille des Gesetzgebers der Blocking-VO lässt aber keine andere Wertung zu.
Das Verfahren zeigt die Bedeutung eines bedachten Umganges mit Sanktionen. Sollte das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, kann sich ein europäisches Unternehmen nicht ohne Weiteres von einem Vertrag lösen, nur weil Sanktionen durch Drittländer drohen. Deshalb ist schon vor Vertragsschluss zu prüfen, wie hoch die Risiken für exterritoriale Sanktionen sind. Eine solche Prüfung sollte aus diesem Grund Teil eines standardisierten internen Prüfungsprozesses sein.
JM
Unsere Empfehlungen:
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