Sanktionen: EuGH weist Klage gegen die Russland-Sanktionen ab
Am 17. September 2020 bestätigte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C‑732/18 P die Abweisung der Klage verschiedener Firmen aus der Rosneft-Gruppe gegen die Russland-Sanktionen durch ein Gericht des Vereinigten Königreichs. Grund der Sanktionen seitens der EU war eine Beteiligung Russlands am Konflikt in der Ukraine.
Hintergrund des Verfahrens
Am 20. Februar 2014 verurteilte die Europäische Kommission den Gewalteinsatz in der Ukraine und forderte alle Beteiligten zu einem Stopp jeglicher Gewalthandlungen und zur Achtung der Menschenrechte auf. Zudem drohte sie bei Nichteinhaltung restriktive Maßnahmen an. Am 3. März 2014 verurteilte die Kommission gemeinsam mit dem Europäischen Rat den Einsatz russischer Truppen in der Ukraine. Am 5. März 2014 erließ der Rat restriktive Maßnahmen gegen Russland, in denen er Vermögen einfror und Gelder von Russland zurückforderte, welches dieses vom ukrainischen Staatsfond zweckentfremdet hatte.
Am 31 Juli 2014 erging der Beschluss 2014/512 des Rates mit weiteren restriktiven Maßnahmen in den Bereichen Kapitalmarkt, Verteidigungsgüter, Dual-Use-Güter und sensibler Technologien, insbesondere dem Öl-Sektor. Diese wurden konkretisiert in der Verordnung Nr. 833/2014 des Rates vom 31.Juli 2014. Sie sollen die Kosten für Russland erhöhen, die ukrainische Souveränität und Integrität zu verletzen. Hierzu wurde russischen Personen und Unternehmen aus dem Ölsektor der Zugang zum Kapitalmarkt verschlossen. Dies betraf auch die klagenden Unternehmen der Rosneft-Gruppe. Daraufhin legte die Rosneft Oil Company Klage bei einem Gericht des Vereinigten Königreiches ein, welches die Klage zurückwies.
Urteil – vier wichtige Feststellungen
Das Urteil enthält keine detaillierten Vorgaben zur Auslegung von bestimmten Sanktionsbestimmungen. Es bestätigt jedoch die Gültigkeit der Beschränkungen und macht insbesondere vier wichtige und grundlegende Feststellungen zu den Klagebegründungen der Kläger:
1. Restriktive Maßnahmen von allgemeiner Geltung
Ein Vorwurf der Kläger war, dass sich die Sanktionen im Ergebnis nur gegen die Gazprom-Gruppe und die Rosneft-Gruppe richten und deshalb keine allgemeine Geltung haben. Dies sei der Kommission und dem Rat auch bewusst gewesen. Dem hat das Gericht jedoch widersprochen und festgestellt, dass – aufgrund der variierenden Anzahl an Akteuren in einem Wirtschaftszweig – sich Sanktionen mit allgemeiner Geltung auch nur gegen wenige oder einen Akteur richten können. Der Charakter der allgemeinen Bedeutung verändert sich nicht, da der Rat allgemeine Ziele verfolgte.
2. Fehlende individuelle Begründung
Das Gericht stellte zudem fest, dass bei der Begründung eines Rechtsakts des Rates nicht jedes rechtliche Detail und Argument genannt werden muss. Vielmehr reicht es aus, wenn angemessene Gründe für das verfolgte Ziel und der Kontext der Umsetzung angegeben werden. Die von den Sanktionen betroffene Person muss aus dem Kontext und der Begründung erkennen können, warum ihr die Sanktionen auferlegt wurden.
3. Zusammenhang von Mittel und Zweck
Die Kläger machten zudem geltend, dass die „nicht-konventionellen Projekte“ der Unternehmen dem russischen Staat keine unmittelbaren finanziellen Vorteile verschaffen. Deshalb können die Sanktionen den verfolgten Zweck gar nicht erreichen. Dem hält das Gericht entgegen, dass eine unmittelbare Wirkung nicht erforderlich ist. Es reiche aus, dass der Rat berechtigter Weise davon ausgehen darf, dass die Sanktionen Druck auf die russische Regierung aufbauen und die Kosten für die Destabilisierung der Ukraine erhöhen.
4. Vereinbarkeit mit Partnerschaftsabkommen EU-Russland und dem GATT
Zudem bestritten die Kläger, dass die restriktiven Maßnahmen mit dem Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der Europäischen Union sowie mit dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) vereinbar sind. Beide Abkommen enthalten sogenannte „Sicherheitsausnahmen“, die es den Vertragsparteien erlauben, aufgrund ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen, die auch bei den in Frage stehenden Maßnahmen betroffen sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diesbezüglich verweist das Gericht auch auf sein Urteil C‑72/15 vom 28. März 2017.
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Das Urteil gibt wichtige Leitlinien zur Ausgestaltung von restriktiven Maßnahmen durch die EU-Institutionen vor. Es bestätigt zudem die Gültigkeit der bestehenden Sanktionen. Da jedoch keine detaillierten Feststellungen zur Auslegung von Sanktionsvorschriften genannt werden, erhöht es die Rechtssicherheit für europäische Unternehmen nur geringfügig.
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JM